Über das Jahr 2020 werden wohl die wenigsten Menschen im Rückblick sagen, dass es ein gutes Jahr war. Für mich war es ein gutes Jahr, ein sehr gutes sogar. Ich bin im Januar ohne große Pläne in das neue Jahr gestartet. Das einzige, was klar war: Ich muss einen neuen Job finden und werde für drei Wochen in die USA reisen!
In die USA reiste ich nicht, aber einen neuen Job fand ich und dadurch wurde das Jahr dann auch zu dem, was es für mich war: Sehr gut!
Der neue Job
Ich hatte 2019 beschlossen, dass ich aus der Wissenschaft „aussteigen“ und lieber mit Menschen arbeiten möchte. In meiner Vorstellung war eine berufliche Tätigkeit in der politischen Bildungsarbeit optimal, da ich das zuvor schon nebenberuflich gemacht hatte. Und so kam es dann auch. Im Januar hatte ich ein Vorstellungsgespräch bei einem großen Wohlfahrtsverband, der eine Stelle für die Projektleitung im Bereich der politischen Bildungsarbeit ausgeschrieben hatte. Und was soll ich sagen? Ich bekam den Job! Schon im Februar konnte ich starten.
Der Job hat aber einen großen Nachteil. Er ist nicht in Bautzen, Görlitz oder Dresden, sondern in Radebeul. Das bedeutete, dass ich von der Haustür zur Bürotür pro Strecke ca. zwei Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuß unterwegs war. In Summe also vier Stunden pro Tag. Das bedeutete, dass ich an einem Arbeitstag dreizehn Stunden unterwegs war. Wenn ein Zug Verspätung hatte oder ausgefallen ist, konnte es auch länger werden.
Die Reise in die USA
Im Jahr 2019 hatte ich die Einladung vom US-Konsulat in Leipzig erhalten am „International Visitor Leadership Program“ (IVLP) zum Thema „Preventing Online Disinformation, Harassment and Hate“ teilzunehmen. Das war der einzige große Termin, der für mich im Jahr 2020 feststand und trotz der bereits grassierenden Pandemie wurde sehr lange an der Reise festgehalten. Ich selbst habe schon sehr gezweifelt, ob es so optimal ist während einer weltweiten Pandemie in die USA zu fliegen, aber die Organisator*innen hielten lange daran fest, sodass ich Anfang März noch nach der Berlin fuhr, um mir ein Visum zu besorgen. Das benötigte ich, da es keine touristische Reise war, die auch ohne Visum möglich gewesen wäre. Auf der Reise sollte ich Menschen in den USA treffen, die in der Politik und zivilgesellschaftlichen Initiativen aktiv sind, sollte NGOs und Medienhäuser besuchen, die im Themenfeld des Austauschprogramms arbeiten.
Wenige Tage vor der Reise kam dann aber auch von Seiten des US-Konsulats in Leipzig die Absage. Jetzt habe ich also ein Visum für die USA in meinem Reisepass, in der ich in diesem Corona-Jahr, aber gar nicht gewesen bin. Ob diese Reise nachgeholt wird, kann ich derzeit noch nicht sagen.
Corona
Und auch was den Arbeitsalltag angeht, machte sich dann Corona sehr schnell bemerkbar: „Home Office“ oder wie es offiziell heißt „mobiles Arbeiten“. Nach nur wenigen Wochen im neuen Job habe ich den Schreibtisch im Büro gegen den heimischen Schreibtisch getauscht. Wie viele andere, die in der privilegierten Lage waren und sind den Arbeitsalltag ins „Home Office“ zu verlagern, waren sehr schnell Videokonferenzen ein zentraler Bestandteil des Alltags. Ich habe den kompletten Projektstart in Online-Formate umgeplant und gebe Seminare jetzt als Videokonferenzen. Weite teile meines Arbeitsalltags habe ich zu Beginn des Jahres (und auch jetzt wieder) in meinen Laptop gequatscht und saß nicht mit den Teilnehmenden der Angebote in einem Raum.
Die Entscheidung für den Umzug
Nachdem ich dann wieder im Büro in Radebeul arbeiten konnte, merkte ich sehr schnell, dass die Pendelei von vier Stunden pro Tag auf Dauer einfach nicht zu machen ist. Also musste eine Entscheidung her: Umzug für den neuen Job oder das Stadtratsmandat in Bautzen weiter ausüben und einen neuen Job suchen. Diese Entscheidung war nicht leicht, da ich ja erst im Jahr 2019 in den Stadtrat gewählt wurde und mir – auf der einen Seite – das Mandat eigentlich sehr wichtig war. Auf der anderen Seite hatte ich nun aber einen neuen Job, den ich mindestens so wichtig und wirksam wie das Mandat fand. Da das Leben in Bautzen für mich schon in den letzten Jahren mit (Mord-)Drohungen und Anfeindungen nicht einfach war, fiel es mir es mir dann doch recht leicht mich für den Umzug zu entscheiden. Auch wenn es während der Entscheidung selbst keine Rolle spielte, merkte ich im Nachgang, dass mir der Umzug sehr gut getan hat. Nicht nur die Belastung durch das tägliche Pendeln waren weg, sondern auch die Belastung durch die Situation in Bautzen.
Der Umzug
Schon in der Phase, in der ich noch in der Entscheidungsfindung war, habe ich mir den Wohnungsmarkt in Dresden und Radebeul angeschaut. Umziehen wollte ich eigentlich Mitte 2021, damit ich das alles in Ruhe machen kann. Allerdings fand ich im August ein Inserat für eine Wohnung, die mein Interesse geweckt hat und die ich im Endeffekt auch besichtigte. Da es in Dresden nicht so leicht ist eine passende Wohnung zu finden, schlug ich zu und nahm die Wohnung. Der Umzug erfolgte deshalb nicht wie geplant Mitte 2021, sondern schon 2020. Im Oktober erfolgte, nach einem wunderbaren Urlaub in den Alpen, der Umzug nach Dresden. Der ging sehr schnell, unkompliziert und unspektakulär.
Und doch frage mich immer mal wieder, ob der Umzug die richtige Entscheidung war. Haben damit die Nazis, die Menschen, die hassen und hetzen nicht doch ihren Willen bekommen? Und wenn es so ist, ist es so! Für mich war der Umzug in jedem Fall die richtige Entscheidung!
Die Katzen
Schon lange hatte ich den Wunsch Haustiere zu haben. Ich habe in meinem Leben noch nie ein Haustier gehabt. Ich bin als Jugendliche geritten und hatte ein eigenes Pferd, aber mit einem Tier in einer Wohnung habe ich noch nie zusammengelebt. Deshalb hatte ich mit der Entscheidung umzuziehen auch direkt die Entscheidung getroffen, dass ich die neue Wohnung mit einer Katze teilen möchte. Und da ich nicht möchte, dass die Katze alleine ist, sollten es direkt zwei Katzen werden. Durch einen glücklichen Zufall erfuhr ich, dass die Katzen der Nachbarin einer Kollegin Babys hat und so durften Anfang November zwei noch namenlose Kätzchen bei mir einziehen.
Anfangs liefen sie unter den Arbeitstiteln „Mopse“ und „Motze“, da ich mir nicht sicher war, ob „Mopse“ wirklich eine Katze oder nicht doch ein kleiner Kater ist. Nachdem feststand, dass „Motze“ Hoden hat und demnach ein Kater ist, konnten die Katzen Namen bekommen. Sie heißen nun Marla und Findus und hören auch schon bedingt auf die Namen.
Und das war es dann auch schon. Mein Jahr 2020. Es war – wie die Jahre davor – viel zu kurz. Ich bin gespannt, was 2021 auf mich wartet. Viele Pläne oder Vorsätze habe ich nicht, aber ich bin sicher, dass auch im neuen Jahr Dinge auf mich warten, die so nicht geplant waren…
Wer hier jetzt einen politischen Jahresrückblick erwartet hat, ist wohl enttäuscht worden. Es ging nicht um die Corona-Proteste, die es natürlich auch in Bautzen und Dresden gab oder um meine Sicht auf die Corona-Politik der Landes- und der Bundesregierung. Falls ich zwischen den Jahren noch einen Moment finde, in dem ich meine Gedanken dazu aufschreiben kann, mache ich das. Aber in diesem persönlichen Jahresrückblick war nicht der richtige Platz dafür!